Natech Unfalle - Freisetzung von Gefahrstoffen durch Naturkatastrophen - Eine unbeachtete Art von Risiko?
17. August 1999, drei Uhr früh. Ein Erdbeben der Stärke 7,4 (Moment-Magnitude) erschüttert die hoch industrialisierte und dicht besiedelte Kocaeli Region der Türkei. Mehr als 17.000 Menschen sterben in den Trümmern, über 43.000 werden teils schwer verletzt. Das verheerende Erdbeben zerstört bzw. beschädigt über 200.000 Wohnungen und Häuser und verursacht zahlreiche Schäden an Industrieanlagen, was zum Austritt von Gefahrstoffen führt. Am stärksten betroffen ist eine Ölraffinerie, wo das Erdbeben einen Großbrand im Tanklager auslöst, der erst nach vier Tagen gelöscht werden kann, und der auf eine nahe gelegene Kunstdüngerfabrik, wo giftiges Ammoniak gelagert wird, überzugreifen droht. Die Freisetzung von giftigem Gas sowie die Gefahr einer Explosion erfordern die Evakuierung der Anwohner sowie der Rettungsteams und beenden damit zwangsläufig auch alle Bemühungen, noch Überlebende aus den Trümmern zu befreien .
Jüngste Naturkatastrophen verdeutlichen das Auftauchen einer bisher wenig beachteten Art von Risiko, das entsteht, wenn die Welt der Naturgefahren und unsere hoch-technische Gesellschaft kollidieren. Dies gilt insbesondere für Industrieanlagen, die brennbare, explosionsgefährliche oder giftige Stoffe lagern bzw. verarbeiten, und wo deren Freisetzung durch eine Naturkatastrophe folgenschwere Auswirkungen auch außerhalb der Anlage haben kann. Der Austritt von über 30 Millionen Liter Öl in den durch die Wirbelstürme Katrina und Rita 2005 verwüsteten Gegenden der USA oder die Freisetzung von 80 Tonnen giftigem Chlor aus einer tschechischen Chemieanlage durch Hochwasser der Elbe im Sommer 2002 sind nur zwei Beispiele für derartige Unfälle. Sie machen deutlich, dass Naturgefahren in der Planungsphase sowie während des Betriebs von Industrieanlagen dringend zu berücksichtigen sind. Laut einer US Studie sind dabei Erdbeben, Hochwasser, Blitzschläge und Stürme von besonderer Bedeutung. Die jeweils relevanten Naturgefahren variieren jedoch regional und lokal.
KRAUSMANN Elisabeth;
FENDLER Roland;
2009-01-08
Bundesamt fuer Bevoelkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
JRC47972
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